Lateinamerika, Karibik und Europa: Gemeinsame Ziele, gemeinsame Herausforderungen

News vom 25.04.2023

Die Lateinamerika-Karibik-Woche des BMZ in Berlin und ein Treffen europäischer, lateinamerikanischer und karibischer Forschungszentren mit politischen Entscheidungsträger:innen in Madrid setzten viele neue Impulse für die bi-regionale Zusammenarbeit

Gruppenfoto in einem Innenhof
© Fundación Carolina

Gemeinsame Herausforderungen können nur gemeinsam bewältigt werden. Dies unterstrich am 27. März 2023 die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schulze, bei der Eröffnung der Lateinamerika-Karibik-Woche. Ziel dieser vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) veranstalteten Woche war es, mit einem breiten Spektrum öffentlicher Veranstaltungen das Interesse an Lateinamerika und der Karibik zu stärken und die Bedeutung der Kooperation Deutschlands mit dieser Weltregion in politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozial-ökologischen Fragen aufzuzeigen. Das Ibero-Amerikanische Institut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat sich mit verschiedenen Veranstaltungen und Angeboten in die Lateinamerika-Karibik-Woche eingebracht.

Das gewachsene Interesse an einer Vertiefung der bi-regionalen Zusammenarbeit wurde auch beim Treffen europäischer, lateinamerikanischer und karibischer Forschungszentren mit hochrangigen politischen Entscheidungsträgern am 3. und 4. April in Madrid deutlich, an dem das Ibero-Amerikanische Institut ebenfalls beteiligt war.  

Lateinamerika-Karibik-Woche in Berlin: Perspektivenwechsel und Kooperation

Zur Eröffnung der Lateinamerika-Karibik-Woche diskutierte Bundesministerin Svenja Schulze über Chancen und Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit der Region mit Elke Ferner, Vorsitzende von UN Women Deutschland, S.E. Roberto Jaguaribe, Botschafter von Brasilien, Eduardo Ferrer Mac-Gregor Poisot, Vize-Präsident des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und Barbara Göbel, Direktorin des Ibero-Amerikanischen Instituts. Es wurde deutlich, wie wichtig eine strategische Weiterentwicklung der Kooperation ist, um globalen Herausforderungen wie soziale Ungleichheiten, Menschenrechte, Diversität und plurale Demokratien, aber auch dem Klimawandel sowie dem Verlust von Biodiversität gemeinsam begegnen zu können. Barbara Göbel hob die Relevanz der Wissenschaften in ihrer gesamten Breite und insbesondere einer international vernetzten Forschung für die Auseinandersetzung mit diesen globalen Herausforderungen hervor. Hierfür brauche es eine De-Zentrierung und neue Formate des Austausches, die die Wissensproduktionen aus Lateinamerika und der Karibik umfassender als bisher einbeziehen. Denn Deutschland könne viel von Lateinamerika und der Karibik lernen. Ein Beispiel sei das Zusammenleben in Differenz und Ungleichheiten, zu dem Forschungen dieser Weltregion viel beigetragen haben. Lateinamerika und die Karibik gehören historisch betrachtet zu den weltweit ungleichsten Regionen, während in Europa die sozialen Ungleichheiten in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen haben. Hierbei zeige sich die Mehrdimensionalität von Ungleichheiten; es gehe nicht nur um Einkommensunterschiede, sondern auch um Differenzen von Geschlecht, Alter oder ethnischer Zugehörigkeit.   

Und auch mit Blick auf plurale Bürgerrechte, Inklusionspolitiken und soziale Bewegungen könne Europa von der Region lernen. Diese Aushandlungsprozesse seien konfliktbehaftet, wie sich besonders am Beispiel des Lithiumbergbaus in den Salzseen des Andenhochlandes zeige. Der für die sozial-ökologische Transformation der EU so notwendige strategische Rohstoff produziere an den Orten mit Lithiumvorkommen „Un-Nachhaltigkeiten“. Die transregionalen Interdependenzen und die Dilemmata der Entwicklung müssten stärker in den Fokus gerückt werden. Und hierfür sei ein ernsthafter Perspektivenwechsel notwendig. Eine solche veränderte gegenseitige Wahrnehmung sah Svenja Schulze auch als Voraussetzung einer neuen feministischen Entwicklungspolitik. Hier könne an viele Projekte angeknüpft werden, die die Länder Lateinamerikas und der Karibik bereits auf den Weg gebracht hätten.

In einer Podiumsdiskussion im Ibero-Amerikanischen Institut (IAI) im Rahmen der Lateinamerika-Karibik-Woche setzten sich am folgenden Abend Peter Birle, wissenschaftlicher Direktor des IAI, Thomas Fatheuer, Sozialwissenschaftler und Berater, und Clara Ruvituso, wissenschaftliche Mitarbeiterin im IAI, mit der Rezeption lateinamerikanischer Dependenztheorien und des Konzepts des Buen Vivir (gute Leben) in Deutschland auseinander. Auch hier wurde deutlich, wie sehr Europa von der lateinamerikanischen Perspektive im Hinblick auf globale Zukunftsfragen profitieren kann. Aus einer solchen Perspektive kann es weniger darum gehen, den Süden „zu entwickeln“, sondern vielmehr die Fehlentwicklungen des Nordens in den Blick zu nehmen und zu korrigieren. Dabei kann das auf indigenen Traditionen beruhende Konzept des Buen Vivir, das ein Leben in Gemeinschaft und im Einklang mit der Natur in den Vordergrund stellt, ein hilfreiches Leitbild sein.

Neben Führungen durch die Bibliothek des IAI, die den Zugang zu Wissen für eine plurale, nachhaltige und gerechtere Zukunft in den Mittelpunkt stellten, gab der DFG-geförderte Fachinformationsdienst Lateinamerika, Karibik und Latino Studies am IAI Einblick in seine Arbeit und Services, die im engen Austausch mit Wissenschaftler:innen einen ortsunabhängigen und schnellen Zugriff auf Fachliteratur und forschungsrelevante Informationen bietet.

Dialog zwischen europäischen, lateinamerikanischen und karibischen Forschungszentren in Madrid

Wie die Zusammenarbeit zwischen Europa, Lateinamerika und der Karibik vorangetrieben werden kann, war Thema eines Treffens am 3. und 4. April 2023 in Madrid. Auf Einladung der EU-LAC Foundation und der Fundación Carolina kamen Vertreter*innen europäischer, lateinamerikanischer und karibischer Institutionen und Forschungseinrichtungen zusammen, um über Ziele und Perspektiven für die Erneuerung der strategischen Partnerschaft zwischen den Regionen zu diskutieren. Im Vorfeld des EU-CELAC-Gipfels der Staats- und Regierungschef*innen der EU und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten im Juli 2023 sollte dieses Treffen neue Impulse setzen und gemeinsame Überlegungen zur Wiederbelebung der bi-regionalen strategischen Partnerschaft zwischen der EU, Lateinamerika und der Karibik anregen. Im Dialog u.a. mit dem Außenbeauftragten der Europäischen Union Josep Borell wurden Möglichkeiten ausgelotet, um die Programme und Strategien zur Förderung der bi-regionalen Zusammenarbeit zwischen der EU und Lateinamerika und der Karibik aus politischer, wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Perspektive zu erweitern und zu stärken.

Dem Austausch in Madrid waren zwei Treffen vorausgegangen. In Kooperation mit der EU-LAC Foundation und dem GIGA – Institut für Lateinamerika-Studien (GIGA-ILAS) waren im April 2022 im Ibero-Amerikanischen Institut Vertreter*innen europäischer Lateinamerikainstitute zusammengekommen, um insbesondere die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und des Krieges gegen die Ukraine auf die wissenschaftliche Arbeit und den bi-regionalen Informations- und Wissenstransfer zu analysieren. Im Dezember 2022 waren wiederum im Centro de Estudios Europeos del Ecuador (CEE) der Universidad de San Francisco de Quito (USFQ) Vertreter*innen von Forschungseinrichtungen der Region zusammengetroffen, die sich mit Europastudien und den Beziehungen zwischen Lateinamerika, der Karibik und Europa befassen.

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